MONA LISA: DIE GESCHICHTE VON LEONARDO DA VINCIS BERÜHMTESTEM GEMÄLDE

Mona Lisa: Die Geschichte von Leonardo da Vincis berühmtestem Gemälde
 
Das Porträt der Florentinerin Lisa del Giocondo von Leonardo da Vinci ist vielleicht das berühmteste Gemälde der Welt. Nach seiner Entstehung galt es für über 300 Jahre als Vorbild für naturgetreues Malen. Im 19. Jahrhundert wurde in das Lächeln der Gioconda (der Gattin des Francesco del Giocondo) allerhand hineingedeutelt — anziehende vergiftende Erotik und vampirische, dem Grab entstiegene Schönheit. Man zweifelte auch daran, wessen Bildnis es sei, nannte Prostituierte und Todkranke und sogar Leonardo selbst als Vorbild. Inzwischen ist sicher, dass das Porträt ist, was es ist: das Bild einer 25-jährigen wohlhabenden Florentinerin.
 
 Das Gemälde selbst
 
Das 77 x 53 Zentimeter große Gemälde, dass sich heute im Musée du Louvre in Paris befindet, stellt eine etwa 25-jährige Frau dar, die vor einer Brüstung auf einem Stuhl mit Armlehne sitzt und ihren Oberkörper und ihr Gesicht dem Betrachter zuwendet.Den Vordergrund dominieren die übereinander gelegten Hände, den Mittelgrund Oberkörper und Kopf der jungen Frau, und im Hintergrund ist eine karge Landschaft mit zerklüfteten Felsen, einem See, einem Fluss und einer Brücke zu erkennen. Die vegetationslose Landschaft macht insgesamt einen unnatürlichen, irrealen Eindruck. Das Porträt deutet ein verhaltenes Lächeln an. Ein hauchdünner schwarzer Schleier bedeckt das lose herabfallende, lockige kastanienbraune Haar. Die Dargestellte trägt ein dunkles Gewand, das unterhalb des Brustausschnitts mit Stickereien geometrischer Muster verziert ist. Die senffarbenen Ärmel mit gröberen Falten scheinen aus einem schwereren Stoff zu bestehen. Das Gemälde ist weder signiert noch datiert. Mit seiner Größe fällt es aus dem Rahmen der üblichen, bis dahin gemalten und von der flämischen Schule beeinflussten relativ kleinen Porträtbildnisse heraus.
 
 Der Maler
 
Obwohl Leonardo da Vinci sein Werk nicht signiert hat, gibt es bei der Zuschreibung an ihn keine Zweifel. Leonardo da Vinci wurde 1452 als unehelicher Sohn des sehr erfolgreichen Florentiner Juristen Pietro da Vinci geboren. Er verlebte seine Kindheit im Haus seines Vaters und wurde 1469 Schüler des renaissancezeitlichen Malers und Universalgelehrten Andrea del Verrocchio. In dessen Florentiner Werkstatt arbeitete er mit anderen später prominenten Schülern wie Sandro Botticelli und Domenico Ghirlandaio zusammen. Leonardos Talent wurde früh erkannt, und er konnte sich als Maler und Architekt in Florenz durchsetzen. Daneben betätigte er sich als Mechaniker, Militärarchitekt und Erfinder. Der eher verschlossene und eigenbrötlerische Künstler, der für seine extrem langsame Maltechnik bekannt war, ging 1482 nach Mailand und blieb dort für 17 Jahre (bis zu dessen Sturz) im Dienst Herzog Ludovico il Moros. In dieser Zeit entstand Leonardos »Abendmahl«, eines der berühmtesten Gemälde der Welt. Nachdem eine Pestepidemie 1484—85 ein Drittel der Einwohner Mailands hinweggerafft hatte, plante Leonardo eine Idealstadt auf zwei Ebenen mit einem ausgeklügelten Kanalisationssystem und anderen hygienischen Verbesserungen. 1499 eroberten französische Truppen Mailand, und Leonardo kehrte nach Florenz zurück. Er arbeitete bis 1503 für Cesare Borgia und malte danach (er war damals 51 Jahre alt) sein wohl bekanntestes Gemälde: die »Mona Lisa«. Nach vier Jahren war das Bild immer noch nicht ganz vollendet. 1506 ging Leonardo erneut nach Mailand und trat in französische Dienste ein. Er betrieb anatomische Studien und beschrieb einige anatomische Details zum ersten Mal. Von 1513 bis 1516 lebte er in Rom, wo er nicht die Förderung fand, die er erwartete. Auf die Einladung König Franz« I. von Frankreich hin siedelte er nach Cloux bei Amboise an der Loire um und organisierte prächtige Feste für den König. Leonardo da Vinci starb am 2. Mai 1519 in Cloux. Er hat nie geheiratet und hatte, soweit bekannt ist, auch keine unehelichen Kinder. Sein Schüler Francesco Melzi wurde sein Haupterbe. Das Bild der »Mona Lisa« vermachte er seinem Lieblingsschüler Salaì.
 
 Deutungen und Fantastereien
 
Dem Bild fehlen die sonst in der Renaissancemalerei üblichen Symbole oder Attribute, die eine unmittelbare und eindeutige Interpretation erlauben. Dies hat aber bis zum 19. Jahrhundert niemanden zu besonders ungewöhnlichen Deutungen inspiriert, zumal Leonardos Biograf Giorgio Vasari (1511—74) berichtete, dass es sich um das Porträt der Lisa del Giocondo handle, der Gattin des wohlhabenden Florentiner Tuchhändlers Francesco del Giocondo. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts galt das Porträt wegen der perfekten wirklichkeitsgetreuen Darstellung als herausragendes Beispiel der Naturnachahmung durch die Kunst. Doch in der Folge der literarischen Romantik mutierte das Gemälde zur Verkörperung einer als dämonisch gedeuteten Weiblichkeit. Théophile Gautier schrieb 1858: »... aber ihr Ausdruck, weise, tief, samtig und voller Versprechungen, zieht euch unwiderstehlich an und vergiftet euch, während der sinnliche, schlangenhafte Mund euch mit so viel Süße, Anmut und Überlegenheit verspottet, dass man sich ganz schüchtern fühlt, wie ein Schuljunge vor einer Herzogin.« Ähnlich schwülstig formulierte Walter Pater in der vielleicht bekanntesten Beschreibung des Gemäldes: »Die Gestalt, die hier so seltsam neben den Wassern auftaucht, drückt die Erfüllung eines tausendjährigen Begehrens des Mannes aus. Es ist eine Schönheit [...], in welche die Seele mit all ihrem kranken Sinnenleide hineingeflossen ist! [...] Gleich dem Vampir hat sie schon viele Male sterben müssen und kennt die Geheimnisse des Grabes; sie taucht hinunter in die See und trägt der Tiefe verfallenen Tag in ihrem Gemüt.« Neben diesen erotischen Fantasien (die immer noch kolportiert werden) gibt es noch weitere, tief schürfende und größtenteils auch groteske Deutungen: Mal soll eine Prostituierte dargestellt worden sein, mal eine schwer kranke Frau und mal soll sich Leonardo da Vinci selbst porträtiert haben. Nur in einem sind sich diese Fantasten einig: Das Bild ist kein Porträt der Lisa del Giocondo. Damit hat Lisa einiges mit William Shakespeare gemein, den es ja angeblich auch nicht gegeben haben soll und dessen Stücke mal von Francis Bacon, mal von Edward de Vere und mal von Königin Elisabeth selbst geschrieben worden sein sollen. Wie immer ist die Wahrheit wesentlich langweiliger als die wilden Spekulationen.
 
Verstärktes Interesse, Genaueres über das Gemälde zu erfahren, wurde durch folgenden Vorfall angeregt: 1911 kam es zu einem Aufsehen erregenden Raub des Bildes aus dem Louvre; der italienische Anstreicher Vincenzo Perrugia, der an der Verglasung des Werks einige Monate vorher beteiligt gewesen war, entwendete das Bild mit zwei Brüdern, was erst nach über 24 Stunden entdeckt wurde, und brachte es nach Italien, wo er die kostbare Beute zwei Jahre lang im Zimmer eines Bahnhofshotels in Florenz versteckte. Als er es für eine halbe Million Lire einem Händler anbot, setzte dieser sich mit den Uffizien in Verbindung, worauf Perrugia verhaftet wurde. Er gab an, dass er das Werk »heim« nach Italien habe bringen wollen, und wurde, da man seinen Geisteszustand anzweifelte und im Übrigen seinen patriotischen Motiven glaubte, nur zu sieben Monaten Haft verurteilt; das Kunstwerk wurde an den Louvre zurückgegeben. Der damalige Direktor der Florentiner Uffizien, Giovanni Poggi, überprüfte bei seinen Recherchen über das Bild auch die Angaben Vasaris im Staatsarchiv von Florenz und wurde schnell fündig.
 
 Lisa und Francesco del Giocondo
 
Lisa del Giocondo wurde 1479 als Tochter des Florentiner Bürgers Antonmaria di Noldo Gherardini geboren und heiratete (mit 16 Jahren) am 5. März 1495 Francesco del Giocondo. Sie dürfte ihre Jugend auf dem Landgut ihres Vaters südlich von Florenz verlebt haben. Francesco del Giocondo entstammte einer sehr wohlhabenden Familie von Seidenhändlern aus Florenz. Er wurde 1460 geboren und war somit bei seiner Heirat mit Lisa 35 Jahre alt. Sie war seine dritte Gattin, ihre beiden Vorgängerinnen waren jeweils bei der Geburt ihres ersten Kindes (1491 bzw. 1493) gestorben. Lisa Gherardinis Mitgift (170 Goldflorenen und ein kleines Landgut) war nicht sonderlich üppig (Lisas Enkelin Cassandra del Giocondo brachte 1 400 Goldflorenen mit in die Ehe), sodass man vermuten kann, dass er sie aus Zuneigung geheiratet hat (einer ansehnlichen Mitgift wurde damals in Florenz sehr viel Wert beigemessen), und eben diese Zuneigung könnte auch ein Grund für die spätere Bestellung des Porträts gewesen sein, ebenso die Geburt eines Sohnes. Ein weiterer Grund für die Bestellung des Gemäldes dürfte der Erwerb eines Hauses in der Via della Stufa im Jahre 1503 gewesen sein, die seiner Familie als neue Wohnung dienen sollte. Bisher hatte er mit Frau und Kindern offenbar in dem unmittelbar benachbarten Gebäudekomplex der (elterlichen) Familie gewohnt. Im 15. und 16. Jahrhundert war die Gründung eines eigenen Haushaltes ein üblicher Anlass, um Kunstwerke anzuschaffen.
 
 Die Entstehungsgeschichte und der weitere Weg des Bildes
 
Leonardo da Vinci war seit dem Jahr 1500 wieder in Florenz und überaus beschäftigt mit verschiedenen Aufträgen (Heilige Anna Selbdritt, Madonna mit der Spindel). Einen Porträtauftrag von Isabella d'Este lehnte Leonardo damals ab. Ihr Abgesandter, Padre de Nuevellara, berichtete, dass Leonardo nur an den beiden besagten Gemälden arbeitete und »überhaupt wenig Lust zum Malen habe und somit noch saumseliger sei als der umbrische Maler Pietro Perugino. In einem Wettstreit der unproduktivsten Künstler würde sicherlich Leonardo gewinnen«. Die Bewegungen auf Leonardos Bankkonto (im Ospitale di Santa Maria Nuova) bestätigen die Vermutung, dass er damals ausgelastet war. Ab 1503 lebte er aber verstärkt von seinen Ersparnissen, sodass wohl keine oder nur unbedeutende Aufträge vorlagen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte er wohl bereit gewesen sein, den Auftrag für das Gemälde der Gattin Francescos del Giocondo anzunehmen. Auch das zwischen 1504 und 1505 entstandene Porträt der Maddalena Doni von Raffael (der sich damals in Florenz aufhielt), das stilistisch von der Mona Lisa stark beeinflusst ist, spricht für das Jahr 1503. Giorgio Vasari berichtet in seiner Biografie, dass Leonardo in seiner vierjährigen Arbeit an dem Gemälde Musikanten und Spaßmacher engagiert hat, um Lisa bei Laune (am Lächeln) zu halten. Leonardo da Vinci war, wie bereits gesagt, ein extrem langsamer und überaus pedantischer Maler, der von Zeitgenossen als verschlossen und mürrisch geschildert wird, und so ist diese Angabe nicht ganz unwahrscheinlich. Leonardo übergab das Bild nie an den Auftraggeber. Er nahm es mit sich fort nach Mailand und später nach Rom und Amboise. Er vermachte das Bild seinem Lieblingsschüler Salaì, und aus dessen Nachlass gelangte es in die Kunstsammlung König Franz« I. von Frankreich in Fontainebleau und von dort letztendlich in den Louvre, wo es hinter Panzerglas heute besichtigt werden kann (1956 hatte es ein Säureattentat gegeben, das einen Teil des Bildes schwer beschädigte, im selben Jahr ein weiteres durch Steinwurf).
 
Das Porträt der Mona Lisa hat nicht nur andere renaissancezeitliche Maler wie beispielsweise Raffael zu ähnlichen Schöpfungen angeregt, sondern auch in der Moderne den Stoff für Nachahmungen und Karrikaturen geliefert, wie Marcel Duchamps »Mona Lisa mit Bart«.
 
Literatur:
 
Frank Zöllner: Leonardo da Vinci, Mona Lisa. Das Porträt der Lisa del Giocondo. Legende und Geschichte. Frankfurt am Main 1994.
 
Leonardo da Vinci. Künstler, Erfinder, Wissenschaftler, herausgegeben von Meinrad Maria Grewenig und Otto Letze. Ausstellungskatalog Historisches Museum der Pfalz, Speyer. Ostfildern 1995.
 Thomas David: Leonardo da Vinci, Mona Lisa. Reinbek 1997.

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